Monika Maron - "Animal triste"

Eine Buchvorstellung

 

Wir haben uns im Redaktionsteam überlegt, dass eine neue Rubrik, in der Bücher besprochen und vorgestellt werden, vielleicht die Leser erfreuen könnte. Und diese Aufgabe, solche Rezensionen zu schreiben, gefällt mir, obwohl ich es bisher noch nicht gemacht habe, schon jetzt recht gut. Ich werde versuchen, jeden Monat ein Buch auszuwählen, dabei jedoch nicht systematisch vorgehen, sondern einfach immer das Buch empfehlen, das mich momentan oder auch irgendwann einmal "gepackt" hat und das ich für höchst lesenswert halte.

Aller Anfang ist schwer, denn es gibt viele Bücher, die mir am Herzen liegen, aber "Animal triste" von Monika Maron ist z.Z. das Buch, was mich, seit ich es vor ca. zwei Monaten gelesen habe beschäftigt und fasziniert.

Es geht um eine sehr seltsame Liebesgeschichte, die von einer alten Frau, die seit Jahrzehnten abgeschottet und allein in ihrer Wohnung lebt, die sie kaum noch verlässt, immer und immer wieder nachempfunden und erinnert wird. Diese Frau hat sich dafür entschieden, alle sozialen Kontakte abzubrechen und sich ganz ihren Gedanken hinzugeben. Kraft ihrer Erinnerung erlebt sie die schönste Zeit ihres Lebens unendlich oft. Der Leser taucht so in diese Geschichte ein und erfährt nach und nach von der Zeit, die die Frau mit ihrem verheirateten Geliebten verbracht hat. Den ganzen Roman lang allerdings fragt man sich, wo dieser Geliebte ist und warum er die Frau verlassen hat, wo offenbar ihre Liebe so unglaublich stark und tief ist. Diese Frage löst sich schließlich im plötzlichen, überraschenden Ende.

Das Buch ist absolut eindrucksvoll geschrieben und hat mich vom ersten bis zum letzten Satz gefesselt und bis jetzt noch nicht losgelassen. Ich möchte fast sagen, dass es eins der schönsten und zugleich tragischsten Bücher ist, die ich je gelesen habe.

"Ich glaube, dass es sich um einen der schönsten Liebesromane dieser Jahre handelt. (...) Ein hocherotisches Buch von einer außerordentlichen Intensität."

Dieser Meinung von Marcel Reich-Ranicki aus dem "Spiegel" kann ich mich nur anschließen, denn treffender könnte ich es nicht ausdrücken.

Nun viel Spaß beim Lesen und hier eine kleine Kostprobe:

"Die Zeit der reinen Dankbarkeit ist die erste Phase der Liebe, vermutlich jeder Liebe. Einem Menschen gelingt es, uns zu verwandeln. Eigenschaften, von denen wir wünschten oder sogar wussten, dass sie verschüttet oder unerweckt in uns verborgen sind, verdrängen von der Sekunde unseres Verliebtseins an andere, mit denen zu leben wir gewohnt waren. Wir erkennen uns nicht wieder. Wir sind schöner, sanfter, weise. Wir sind erlöst von unserem Kleinmut und unserer Missgunst. Wir fühlen uns imstande, unserem ärgsten Feind zu vergeben. Jeden Baum, jede Straße, jede Minute überstrahlen wir mit unserem Glück und wundern uns über ihre bis dahin unentdeckte Schönheit. Wir fühlen uns eins mit dem Himmel, dem Regen, dem Wind. Wir sind endlich von dieser Welt und endlich gar nicht mehr von ihr. Nachdem ich Franz getroffen hatte, schlug ein Gedicht wochenlang in mir wie mein Herz: ,Es war, als hätte der Himmel die Erde still geküsst / dass sie im Blütenschimmer von ihm nun träumen müsst. / Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus / flog durch die weiten Lande, als flöge sie nach Haus.‘ Wir sind dem Menschen, der uns in das verzaubert hat, was wir nun sind und schon immer hatten sein wollen, dankbar, so dankbar, dass wir ihm nichts vorenthalten wollen von dem, was wir zu vergeben haben. Wir wollen ihm bedingungslos dienen. Wir würden unser Leben hergeben für das Wunder, das er an uns vollbracht hat. Wir fragen nicht, warum er es war, der uns verwandeln konnte. Er war es. Wir schreiben unser Leben um, weil es uns nachträglich sein Ziel offenbart hat: den Augenblick der Begegnung mit ihm, den wir insgeheim unseren Schöpfer nennen, denn was wir in uns verspüren, halten wir für göttlich, und nachdem ich im Laufe der Jahre über die Liebe alles gedacht habe, was ich zu denken vermochte, glaube ich, das eben das die wahrhaftigste Empfindung ist, zu der wir imstande sind."

(Monika Maron: "Animale triste", 3. Auflage Juni 1999, Fischer Taschenbuchverlag GmbH,

Frankfurt am Main, S. 181 f.)

Cosima Kießling

 

 

  

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